Prinzip Verantwortung
In den Debatten um die →Bürgergesellschaft ist es ein zentrales Anliegen, die bisherige Zuordnung von Verantwortlichkeiten neu zu bestimmen. Während der Staat - so die Kritik - bisher zuviel an Verantwortung übernommen habe und damit an die Grenzen seiner Leistungs- und Handlungsfähigkeit gestoßen sei, müsse nun mehr Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger eingefordert werden. Das Konzept Bürgergesellschaft beruht auf der Verlagerung der Verantwortungen "nach unten" (→Subsidiarität), das zu neuen zivilen Pflichten, aber auch zu einem größeren Gestaltungsspielraum jedes einzelnen Bürgers führen soll.
Der Begriff der Verantwortung spielt in der politischen Ethik seit Aristoteles eine wichtige Rolle: Gemeinhin geht es um das Problem, für die beabsichtigten Folgen, aber auch die unbeabsichtigten Nebenfolgen des eigenen Handelns verantwortlich zu sein. "Verantwortlich ist jemand zunächst für den Zustand der Dinge, den er durch sein Tun herbeiführen wollte und tatsächlich bewirkt, ferner für jene Dinge und Sachverhalte, die er als Mittel zur Realisierung seines Zwecks benützt, schließlich auch für jene Folgen seines Tuns, die er voraussieht, nicht eigentlich wünscht, aber als Nebenwirkung in Kauf nimmt." (Maximilian Forschner). Mit verschiedenen Imperativen haben Philosophen versucht, die individuelle Verantwortung mit der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung in Einklang zu bringen. Am berühmtesten sind die sogenannte goldenen Regel ("Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu) bzw. Kants Kategorischer Imperativ ("Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde"). Max Weber spricht in seinem Vortrag über "Politik als Beruf" von einer Verantwortungsethik, die als Handlungsgrundlage der Politik durch die unmittelbare Sorge um das Gemeinwesen definiert sei. Sie darf sich im Gegensatz zur "Gesinnungsethik" nicht von einzelnen Interessen leiten lassen, sondern muss mit Leidenschaft und Augenmaß die verschiedenen Interessen und Handlungsfolgen gegeneinander abwägen. Bekannt geworden ist in den letzten Jahren vor allem das von Hans Jonas formulierte "Prinzip Verantwortung". Im Gegensatz zur bisherigen Ethik trägt Jonas der Tatsache Rechnung, dass der Mensch technisch in der Lage ist, durch seine Handlungen ganze Gesellschaften und unsere natürliche Umwelt zu zerstören. Insofern muss ein "Prinzip Verantwortung" die Fernwirkungen des eigenen Handelns für künftige Generationen einbeziehen. Jonas Philosophie kann damit als erste Formulierung des Prinzips der →Nachhaltigkeit angesehen werden.
Literatur:
Forschner, Maximilian: Artikel Verantwortung, Herder Staatslexikon
Glück Alois: Verantwortung übernehmen. Mit der Aktiven Bürgergesellschaft wird Deutschland leistungsfähiger und menschlicher. Stuttgart, München: Deutsche Verlags-Anstalt 2000
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt am Main: suhrkamp 2003
Weber, Max: Politik als Beruf. Berlin: Dunker und Humblot 1993