Verein
Vereine sind die wichtigste rechtliche Organisationsform Bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Und sie werden immer attraktiver, entgegen manch verständlicher Klage von Vereinsvorsitzenden, die händeringend Nachwuchs suchen. Gab es 1960 noch 90.000 eingetragene Vereine, so waren es 1990 knapp 300.000 und inzwischen rund 600.000. Derzeit werden rund 15.000 Vereine im Jahr neu gegründet. Nach den Auswertungen des Freiwilligensurveys 2009 für Bayern sind von allen Freiwilligen 46 % in Vereinen, aber nur 14 % in Kirchen/religiösen Vereinigungen, 2 % in Parteien und 1 % in Gewerkschaften organisiert. Mehr als jeder zweite Erwachsene ist heute in Deutschland Vereinsmitglied.
Die neueren Vereinsgründungen der letzten Jahre haben einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich Kultur. Die meisten Engagierten im Vereinsbereich finden sich allerdings weiterhin im Sport. In vielen Vereinen sind Selbsthilfe und Bürgerschaftliches Engagement wesentlicher Bestandteil des Vereinszwecks. Hierbei ist freilich zu berücksichtigen, dass Vereinsmitgliedschaft nicht automatisch mit freiwilligem Engagement verbunden sein muss: Der größte deutsche Verein etwa ist der ADAC, der sich als Lobby für die Interessen der Autofahrer versteht.
Ein Verein wird im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) definiert als "freiwilliger, auf eine gewisse Dauer angelegter, körperschaftlich organisierter und vom Wechsel seiner Mitglieder unabhängiger Zusammenschluss mehrerer Personen unter einem Gesamtnamen (Vereinsnamen) zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke" (Sieghard Ott). Es gibt verschiedene Typen von Vereinen: Den Idealverein und den wirtschaftlichen Verein, den gemeinnützigen oder nicht gemeinnützigen, den in das Vereinsregister eingetragenen und den nicht eingetragenen Verein. Die Gründung eines Vereins ist durch das Grundgesetz abgesichert. Nach Artikel 9 Abs. 1 haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Nach dem BGB hat der Verein zwei notwendige →Organe: den Vorstand und die Mitgliederversammlung. Die Mitgliederversammlung ist nach § 32 BGB das "oberste Willensbildungsorgan des Vereins". In der Praxis entscheidet sie freilich meist über grundsätzliche, strategische Weichenstellungen. Operativ werden die Vereinsgeschäfte durch einen von der Mitgliederversammlung gewählten Vorstand geführt. In der Vereinssatzung werden die einzelnen Aufgaben und Organe eines Vereins verbindlich festgelegt.
Die eigentliche Entstehungsgeschichte des Vereinswesens in Deutschland liegt im 19. Jahrhundert. Gesangs- und Turnvereine gehören zu den ersten Gründungen, die vielfach auch Keimzellen des erstarkenden Bürgertums waren. Mit der Industrialisierung kamen karitative Vereine hinzu. "Das revolutionär Neuartige an den Vereinsgründungen war, dass diese über alle gesellschaftlichen Schranken, sei es des Standes oder der beruflichen sowie konfessionellen Bildungen hinweg, erfolgten und insofern gesellschaftlichen Wandel erst ermöglichten" (Literatur 2, Annette Zimmer). Auch heute noch haben Vereine, entgegen aller Kritik an rückwärtsgewandter Vereinsmeierei, eine wichtige soziale und kulturelle Funktion: Nach dem Vereinsforscher Dieter Jütting erfüllen sie im Wesentlichen drei Aufgaben: Sie erzeugen kostengünstig Güter und Leistungen, sie leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialen Integration ihrer Mitglieder und sie sind institutioneller Ausdruck einer aktiven, demokratischen Gesellschaft.
Zahlreiche Tipps und Fachinformationen zum Thema Vereinsarbeit finden sich im VereinsWiki des LBE Bayern.
Literatur:
Bayerisches Staatsministerium der Justiz: Rund um den Verein. Eine Rechtsinformation für Vereinsmitglieder und solche, die es werden wollen. (Download der pdf-Datei)
Sieghard Ott: Vereine gründen und erfolgreich führen. Satzung - Versammlung - Haftung - Gemeinnützigkeit. München: Beck Rechtsberater im dtv 2002
Urs Willmann: Leben in Deutschland: Wie man sich in Deutschland im Verein gesellt. Die Zeit Nr. 9/2004.
Weitere hilfreiche Literatur finden Sie hier.
Der eingetragene Verein
Der eingetragene Verein ist ein zutiefst demokratisches Organisationsmodell, bei dem die Mitbestimmung aller groß geschrieben wird. Er zählt zur →Rechtsform der →Körperschaft; dies ist ein Zusammenschluss von Personen zu einem gemeinsamen Zweck, der als →juristische Person eigene Rechtsfähigkeit besitzt und durch Organe (→Vereinsorgane) vertreten wird. Zu unterscheiden sind privatrechtliche Körperschaften (z.B. rechtsfähiger Verein, GmbH, AG, Genossenschaft) und Körperschaften des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften, wie z.B. Gemeinden oder Kreise, Verbands-Körperschaften, z.B. Zweckverbände, aber auch Berufsgenossenschaften oder Rechtsanwaltkammern). Die juristische Person steht im Gegensatz zur "natürlichen Person"; durch den Gründungsakt entsteht neben den Gründern eine verselbstständigte rechtliche "Person", die selbst eigene Rechte und Pflichten erwerben und Geschäfte tätigen kann, eben der eingetragene Verein.
Der nicht eingetragene Verein
Es besteht keine Pflicht zur Eintragung von Vereinen in das Vereinsregister beim Amtsgericht; wir sprechen dann von einem nicht rechtsfähigen Verein. Gerade in der Anfangsphase von Initiativen scheuen viele den Verwaltungsaufwand mit Gründungsversammlung, Satzungsentwurf, Protokollen, Vorstandswahlen, Eintragung etc. Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung (§ 54 BGB). Dies hat den Nachteil, dass aus einem Rechtsgeschäft, welches im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, der Handelnde (z.B. das Vorstands- oder Vereinsmitglied) persönlich mit seinem Privateigentum haftet; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. Bei einem eingetragenen Verein beschränkt sich die Haftung auf das Vereinsvermögen, es sei denn, das Vorstandsmitglied handelte vorsätzlich oder fahrlässig. Der nicht rechtsfähige oder nicht eingetragene Verein kann auch keine Gemeinnützigkeit beantragen und damit keine steuerlich abzugsfähigen Spendenquittungen ausstellen.